Naseweisheiten
Erziehungsberechtigte Erwachsene geben gerne mit dem Spruch an: „Kleine Kinder treten dir auf die Zehen, große mitten ins Herz.“
Wahrlich ,wahrlich, ich sage euch:
Wer versucht, den zersprungenen Kristall eines Kinderherzens zu streicheln, holt sich blutige Finger.
Wer keine Lust zum Denken verspürt, dem eröffnet sich die belustigende Unendlichkeit des Denkbaren.
Monokausalität
Monokausal zu denken ist ganz falsch, höre ich.
Stimmt. Keiner stirbt, bloß weil man ihm nichts zu essen gibt.
Man muss ihn - zur Verhinderung eventueller Gegenwehr - schon auch gut mit einer dem Programm entsprechenden Geistesnahrung gefüttert haben.
Moralfreie Betrachtung der Mores seit La Rochefoucault.
Von den Liebhabern der Moral unverständigerweise als unmoralisch verschrien, weil Moral nicht wünscht, dass eine theoretische Stellung zur Welt eingenommen werde, sondern lieber den Gedanken und die Tat als Einheit verstehen möchte, deren Bestandteile jedoch fatalerweise immer wieder auseinanderdriften.
Das solle aber nicht am Kontrafaktischen des Beginnens liegen , sondern an der miesen Qualität des Materials.
Leute, ihr seid gemeint.
Insofern vollgültiger Ersatz für das christliche Abendland, das es geschafft hatte, Gedanken, Worte und Werke als ein und das selbe im Sündenkonzept zu denken und gegeneinander als auswechselbar zu verdächtigen.
Wenn dem tatsächlich so wäre, gäbe es keine Kunst. Auch nicht die Imagination des „Bösen“, die genüsslich im Bereich der Vorstellung verbleibt.
Geistesfreiheit
Hört man Priestern, Politikern und Irren zu, kann man ganz schnell den Eindruck bekommen, die trieben es mit der Freiheit des Denkens entschieden zu weit.
Weist mit dem Denken insofern eine gewisse Ähnlichkeit auf als es eben Nicht-Handeln ist und sich auch von den niedrigeren Bewusstseinsstufen des Träumens gut abheben lässt.
Nur: eine negative Bestimmung des Nicht-Handelns ist so leer wie beispielsweise ein Hase, der als Nicht-Hund, Nicht-Engel, Nicht-Blume...usw. durch das restliche Wörterbuch präsentiert wird.
Eine think – pink! -Einstellung kann deswegen unwidersprochen als Denken herumgereicht werden, weil bereits die Schwarzseherei auch als solches durchgesetzt ist.
Und das erfolgreichere Drittel der politische Klasse ungestraft vom Neuen Denken faseln darf.
Hat seit ihrem Hervorkriechen unter dem Mantel der Kirche zu tun mit Widerstand, und der muss sprechen und sprechen machen.
Stumm hingegen ist die geregelte Verdauung des Genehmen.
Kunstauffassungen
Es gibt - neben den jeweils epochal variierten - der Kunstauffassungen genau zwei.
1. Die, worin ihr eine höhere Bedeutung zukommt:„Kunst kommt nicht, wie der Kulturminister meint, von Können, sondern von Kontern. Aber es kann auch von Kunsthonig kommen.“ (Herbert Achternbusch )
2. Die, welche als niederes Handwerk sich betätigt: Kunst ist wie nichts sonst imstande, zu erheben und zu veredeln und nicht zuletzt das Gefühl für die Heiligkeit des Lebens zu erwecken und einzuschärfen.
Kunsttheorien
Die kanonische, klassische Kunst gibt sich gern post-coital gestillt als organische Objektivation des Lebens und wird schnell unduldsam gegen ihre liederliche Schwester, die wenig wählerisch als ein Medium hausieren geht, in dem ausschließlich ungefilterte Erfahrungen und Sehnsüchte geduldet, und uneingeschränkt mitteilbar werden.
Der Geistesaristokrat (Schwellkopf, Klugscheißer...) entwickelt sich aus seiner Unfähigkeit zum Neid und seinem Verdacht, Ehrgeiz sei der moralische Deckmantel für die ihm aufgeschwatzte, noch so dürftige, abzudienende Mini-Karriere.
Wenn so ein Neidloser sich einen Neureichen so anschaut, steht er vor ihm wie ein Dieter Bohlen vor Johann Sebastian Bach.
Verständnislos in sich ruhend.
Und vor Dieter Bohlen, der weiß, wie man aus nichts Geld macht, fällt er aus innerer Öde in einen katatonischen Zustand äußerster Uninteressiertheit.
Wenn er hört, dass schon wieder so ein seit längerem bekannter Esel zum Präsidenten gewählt wurde, oder irgendwelche Orden zum Aufhetzen der restlichen Meute in Richtung eines ehrgeizigen „Weiter - So“ verabfolgt wurden, dann sind solche Daten für ihn von der selben Bedeutungsleere wie der Klatsch über eine äußerst vorteilhafte Verehelichung, oder andere Pseudo-Nachrichten, von denen die Welt voll ist.
Der Grund für diese seine Missratenheit hat nichts mit seiner charakterlichen Wohlgeratenheit zu tun, sondern mit seinen besonderen strukturellen Verhältnissen: die Beschäftigungen, denen er lebenslang obliegt, geraten in keinerlei Konkurrenzverhältnis.
Die Erfolge eventuell rivalisierender Pfaffen, Politiker, Rechtanwälte, Lehrer .... gehen ja gar nicht auf seine Kosten! Was mit der Unvergleichbarkeit des Unvergleichlichen zusammenhängt.
Und außerdem hatte er immer genug zu dem und für das, was er Leben nennt.
Der muss das Schlimme, was den Menschen angetan wird und das, was sie sich und einander gnadenlos zufügen, hassen können, der die Menschen lieben will.
Dann kann man sich daneben auch gefahrlos schmeichelhafte Einbildungen über die Gefühlsökonomie jener Leute halten, denen nichts so selbstverständlich ist wie die bedenkenlose Scheidung von Ihresgleichen in Gute und Böse.
Wer die Bösen schont, schadet den Frommen, sagt hingegen das deutsche Sprichwort, das den Sprecher auf der Seite der Guten vermuten lässt.
Das versteht jeder. Kein Wunder, dass mich keiner versteht.
Konfession
Ich bekenne, ich habe nichts dagegen, wenn und dass sich einer anständig aufführt.
Aber eine Nötigung, auch noch jedes Trumm Wirklichkeit moralisch zu begutachten oder gar von vornherein gleich moralisch zu denken, käme mir wie eine unstatthafte Beschränkung des Zuständigkeitsbereichs der Urteilkraft vor.
Dies also wäre meine Moral.
Beim Gläubigen: imperativ
Beim Philosophen: fakultativ
Beim Normalo: dekorativ. Denn brav sein muss er eh.
Idealismus ist etwas Wunderbares.
Jeden Wunders bar taucht er immer genau dann auf, wenn wegen fehlendem Barem Wunder gebraucht werden.
Das mit den Christen sehe ich eher ungnädig wegen deren perfider Geschäftsidee, die das massenhafte Leiden auf Dauer stellt.
Erst redet man den Leuten ein, sie hätten einen Makel qua Geborenseins, nämlich eine Erbsünde, eine Art einzigartigen Webfehlers, den man nicht durch Kritik und Bessermachen aus der Welt schaffen kann.
Dazu braucht es zweitens eine Priesterschaft, deren kundige Anleitung einen Erlöser hervorzaubert.
Kaum hat man sich aber auf die Unverschämtheit eingelassen, und sich tatsächlich seine Erlösung einleuchten lassen, geht es einem wieder nicht so recht gut, weil die sündige Kreatur gar nicht anders kann, als gegen den von der Priesterschaft ausgearbeiteten Sündenkatalog zu verstoßen. Und siehe da, schon steht der Erlösungsstatthalter bereit, dich in der Beichte von dem zu befreien, womit er dich soeben versklavt hat.
Ungemein pfiffig, diese Unentrinnbarkeit.
Auffällig auch, man hat mir noch nie jenen ominösen Herrn Jesus vorgestellt, in dessen Namen das alles sachgewaltet wird. Sollte dieser Herr sich wider Erwarten eines Tages bei mir - wie sich das unter honetten Leuten gehört - vorstellen, werde ich ihn unverzüglich und ungescheut über das Treiben seines Gesindes in Kenntnis setzen.
Jedem, ausnahmslos jedem, der sich anheischig macht, mich erlösen zu wollen, biete ich aus obigen Erwägungen heraus meinerseits Ohrfeigen an.
Es gibt eine überaus verbreitete Sorte und Methodik der Rettung eines beliebigen Kritisierten, die sich ihrer Menschlichkeit - in aller Bescheidenheit - rühmen darf gegenüber der anmaßenden Menschenverachtung des Kritikers.
Nehmen wir an, einer schreibt auf, was die Systemposition Kerkermeister macht und ausmacht. Dann dauert es vorhersagbar nicht lange und ein Humanist meldet sich mit seiner Beobachtung, er habe aber einen Kerkermeister kennen gelernt, der sei ja so was von einer Seele von Mensch...!, woran man sehen könne, dass die Konkretisierung der Einzelfallprüfung vor den Inhumanitäten der Abstraktion bewahre.
Ich nenne das mal, um das Urteil – den Leser aufreizend - vorweg zu nehmen, ein verschweintes Denken.
Unbekümmert um alles, was man so über das Sicherheitspersonal als Systemposition durchaus wissen könnte, wird so getan, als ob die Zufälligkeit einer Charaktereigenschaft in der Hierarchie der gesellschaftlichen Rollenpositionen nicht eine völlig unerhebliche Abschattierung des Wesens sei, sondern das eigentlich Wichtige und Interessierende. Man glaubt, in einem Hollywoodfilm oder einer Operette zu sitzen! Aber fest und steif sucht so ein philosophisches Schwein nach einer vom Futter des Trogs getrennten und eigentlichen Substanz.
So entstehen im selben Trog durch die konkretisierenden Hintergrundsinformationen aus eventuell interessierenden Themen jene uninteressanten Menschen wie du und ich.
In all diesen Fällen genügt es, die tatsächlichen Verhältnisse durch den Vorschlag eines Praxistests wiederherzustellen: soll doch der Sprecher mal sagen, ob er lieber ein gemütvoll einsitzender Zellenbewohner, oder ein gemütvoller Kerkermeister wäre.
Auch in diesem Fall ist nicht die Abstraktion zu kritisieren, sondern die falsche, die aus einem unerheblichen Attribut eine Wesensbestimmung der Sache fabriziert und gleichzeitig behauptet, man könne sowieso nicht Bescheid über nix wissen.
Ich bekenne, dass ich als Theoretiker etwas dagegen habe, Bestimmungen einer Sache nicht ihr selbst zu entnehmen, sondern über sie ganz von ferne – aus weiß Gott welchem Tieferen oder Höheren - zu bestimmen.
Als Mensch bin ich mir Theoretiker aber ziemlich egal und treibe es wie alle Welt. Halt so vor mich hin. Mit dem, was ich habe und bin.