Werner Bergengruen
Dieser Dichter von der zartsinnigsten Sorte, wie sie die Liebhaber der Kalenderpoesie und der weichgespülten Weisheiten so schätzen, überlieferte uns in poetischem Überschwang am Ende des Dritten Reiches, er habe die ganze Zeit nur Lobgesang vernommen:
„Was aus Schmerzen kam, war Vorübergang - und mein Ohr vernahm, nichts als Lobgesang.“
Das darf man ihm ruhig glauben, dass die Schmerzen der anderen vorübergehen wie nichts.
Dass die Millionen in den tatsächlichen und den bildlichen Feueröfen wohl nicht die Sänger jener vernommenen Hymnen waren, ist anzunehmen.
Wissen könnte man aber auch, dass die Trennung von lebensweltlich vorfindlichen Leuten und ihren Selbstprojektionen beim Dichten noch ganz andere Ungeheuerlichkeiten
1)erlaubt,
2) hervorbringt, und
3) bei der Trostbedürftigkeit der Leserschaft derartig kultische Verehrung genießen wird, dass es einer Sau graust.
„Was aus Schmerzen kam, war Vorübergang - und mein Ohr vernahm, nichts als Lobgesang.“
Das darf man ihm ruhig glauben, dass die Schmerzen der anderen vorübergehen wie nichts.
Dass die Millionen in den tatsächlichen und den bildlichen Feueröfen wohl nicht die Sänger jener vernommenen Hymnen waren, ist anzunehmen.
Wissen könnte man aber auch, dass die Trennung von lebensweltlich vorfindlichen Leuten und ihren Selbstprojektionen beim Dichten noch ganz andere Ungeheuerlichkeiten
1)erlaubt,
2) hervorbringt, und
3) bei der Trostbedürftigkeit der Leserschaft derartig kultische Verehrung genießen wird, dass es einer Sau graust.
gitano - 1. Feb, 09:27
gebattmer - 2. Feb, 22:59
Danke für die Erinnerung an meinen Deutschunterricht der Oberstufe, in dem in den 60er Jahren diese und andere Ungeheurerlichkeiten Pflichtlektüren waren, die uns dann in die Arme der Borchert&Co-Ableider-Generation-ohne-Abschied-Literatur trieben (dazu fand ich mal interessante Anmerkungen von Reemstma - hier: https://gebattmer.twoday.net/stories/3534229/); - wiewohl man nicht unterschätzen sollte, dass dies doch ein erster Ansatz zum Widerspruch, zur Politisierung war. Man muss das nur irgendwann überwinden und darf dann nicht mehr Beckmann im Deutschunterricht behandeln ...
Mit freundlichen Grüßen
Gerd Battmer
Mit freundlichen Grüßen
Gerd Battmer
aufgewachsen bin ich u.a. mit Deschners "Kitsch und Kunst". danach waren für mich Hesse, Bergengruen, Carossa, und wie sie alle heißen, erledigt. Weinheber war ein anderes kaliber und ein wirklich großes ist Hamsun, ohne dessen Sult (Hunger) ich gar nicht zu denken bin. die ungeheure wirkung dieses buchs beruht auf seiner voraussetzungs- und rücksichtslosigkeit dem leser, der gesellschaft, der kunst und dem autor gegenüber. ein auch nur vergleichbares buch scheint in den vergangenen hundertzwanzig jahren nicht geschrieben worden zu sein. (R.Walser, der einem einfallen könnte, mythologisiert sich schon viel zu sehr.)
auf die frage der kitsch- und trostkonsumenten, wie man da leben solle, so ohne was, antwortet Benn: "man soll ja auch nicht."
ahnherr dieser art katzengoldlyrik, Rilke, der meistüberschätzte dichter des vergangenen jahrhunderts, trieb es mit seiner empfindsamkeit bis ins groteske, was oft genug mit surrealismus verwechselt wurde. mir ist es heute kaum noch möglich, Celan zu lesen, weil überall das muster komisch durchscheint.
Zwar ist er im Vergleich zu den erfolgreicheren poetae minores ein Titan und als Formkünstler der wirklich letzte große Dichter des Erhabenen, aber wenn man seine "Kaisergruft" versteht, wird einem schlecht vor solcher - sorry: faschistischen -Selbststilisierung der Erhobenheit über den Dung.
Da Du Literatur als fast ungefiltertes, existenzielles Ereignis schätzest, möchte ich Dir den "Roman eines Schicksallosen" von Imre Kertész empfehlen.
Wenn Du den frühen Rilke des "Stundenbuchs" et alia zausest, soll mir das recht sein, aber dem "Malte" und den Duineser Elegien tust Du damit unnötigen Tort an. Das ist - mir jedenfalls - nicht bloß bildungsbürgerliches Gequengel an den Zeitläuften und Ziselierung der aparten Sensibilität. Wo er mir freilich als Mystiker kommt, lege ich das zu den Akten.